Politik
WFP und Unicef warnen vor Folgen von Budgetkürzungen
Berlin 05.06.2025
Vertreter des Welternährungsprogramms (WFP) und des Kinderhilfswerks (Unicef) der Vereinten Nationen (VN) warnen vor den Folgen sinkender öffentlicher Gelder für die humanitäre Hilfe. Aktuell seien rund 343 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, zwei Millionen darunter akut vom Verhungern bedroht. Das sei die größte Anzahl hungernder Menschen, die es in der Geschichte je gegeben habe, sagte Rania Dagash-Kamara, beigeordnete Exekutivdirektorin beim WFP, am Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Diese Zahl könne sich erhöhen, wenn nicht neue Gelder bereitgestellt würden. Bereits im März hatte das WFP darauf verwiesen, dass 58 Millionen Menschen lebensrettende Unterstützung verlieren könnten, gelänge es der VN-Organisation nicht, den Wegfall der Gelder auszugleichen.
Als Hauptgrund für die verschärfte Hungersituation führte Dagash-Kamara eine wachsende Zahl von Kriegen und Konflikten weltweit an. Aber auch klimabedingte Katastrophen und wirtschaftliche Instabilität infolge der Corona-Pandemie hätten den Hunger weltweit vergrößert.
Zu den Opfern von Krisen und Konflikten gehörten vor allem auch Kinder, betonte zudem Bertrand Bainvel, Unicef-Repräsentant für die Institutionen der Europäischen Union, der ebenfalls vor dem Ausschuss sprach. Selten zuvor seien Kinder so oft verletzt, getötet, sexueller Gewalt ausgesetzt oder als Kindersoldaten rekrutiert worden wie gegenwärtig, so der Unicef-Vertreter. Die Situation verschlechtere sich permanent. In Gaza seien in den letzten Monaten mehr als 50.000 Kinder verletzt oder getötet worden. Tausende litten unter Unterernährung.
Das WFP hat laut eigenen Angaben 2024 mehr als 120 Millionen Menschen in 80 Ländern mit Nahrung und Hilfsgütern in den am stärksten betroffenen Krisenregionen der Welt versorgt. Exekutivdirektorin Rania Dagash-Kamara verwies neben Gaza vor allem auf die katastrophale Situation in Bürgerkriegsländern wie Sudan und Myanmar, wo es für Helfer aufgrund der Kämpfe sehr schwer sei, die notleidende Bevölkerung zu erreichen. Zudem gerieten die Helfer immer wieder selbst ins Visier, wie die WFP-Vertreterin den Abgeordneten schilderte. Vor wenigen Tagen sei etwa ein gemeinsamer Lebensmitteltransport von WFP und Unicef im Sudan angegriffen worden, alle Helfer seien ums Leben gekommen, die Nahrungsmittel komplett verbrannt. Trotz dieser Gefahren bleibe das WFP im Land, versicherte Dagash-Kamara auf Nachfrage von Abgeordneten. Das WFP könne weiter genügend Helfer rekrutieren.
Angesichts des weltweit steigenden Bedarfs an humanitärer Hilfe träfen die Kürzungen, wie sie neben den USA auch europäische und asiatische Staaten angekündigt haben, die Hilfsorganisationen hart. Das WFP etwa stehe im Vergleich zum Vorjahr vor einem Rückgang der Finanzierung um 40 Prozent, berichtete die beigeordnete Exekutivdirektorin. Beide Organisationen hätten bereits in ihren Zentralen Strukturen effizienter gestaltet und laufende Kosten reduziert. Die Budgetkürzungen hätten dennoch lebensbedrohliche Konsequenzen, so Dagash-Kamara.
Zudem warnte die WFP-Vertreterin vor den globalen Folgen von Hunger: weitere Konflikte, mehr Flucht und Migration. Humanitäre Hilfe sei daher eine Investition in die Stabilität der Welt. Im Gespräch appellierten die Vertreter beider Hilfsorganisationen an die Verantwortung Deutschlands nicht nur als bislang zweitwichtigster Geberstaat für humanitäre Hilfe. Es brauche auch gerade mit Blick auf die Lage in Gaza verstärkt humanitäre Diplomatie, um mehr Zugänge für Hilfslieferungen zu öffnen, drängten Bainvel und Dagash-Kamara. Die Hilfe der Vereinten Nationen stehe bereit, man müsse sie nur zulassen. Fast drei Monate lang hatte Israel Hilfslieferungen komplett blockiert und erst zuletzt wieder die Verteilung über die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) zugelassen, um VN-Organisationen wie das WFP zu umgehen. Ein Vorgehen, das beide Vertreter im Ausschuss kritisierten.
Im Gespräch erkundigten sich die Ausschussmitglieder nach der Einschätzung der beiden Experten für humanitäre Hilfe unter anderen zur GHF, zur Ursache der hohen Zahl von unbegleiteten Minderjährigen unter Flüchtlingen und zur sozialen Armut in Deutschland. Mehrere Abgeordnete machten dabei deutlich, sie seien sich auch mit Blick auf die kommenden Haushaltsberatungen der Verantwortung für die humanitäre Hilfe bewusst – den Wegfall von Geldern aus den USA oder anderem Ländern könne Deutschland indes nicht allein kompensieren.