Politik
Venro beklagt politisches Versagen bei humanitärer Hilfe
Berlin 20.08.2025
– Der Verband Entwicklungspolitik (VENRO) kritisiert am Welttag der humanitären Hilfe die zunehmende Not und das Versagen der Politik, angemessen zu reagieren. Finanzierungslücken wachsen und Helfer werden zunehmend gefährdet. In diesem Jahr sind bereits 265 humanitäre Helferinnen und Helfer im Einsatz getötet worden. Die meisten Ermordeten sind einheimische Mitarbeiter.
Der Dachverband der Organisationen der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit vermisst eine angemessene politische Reaktion auf die immer weiter zunehmende humanitäre Not. Während der humanitäre Bedarf steige, würden die Finanzierungslücken größer. Helferinnen und Helfer selbst würden immer öfter bei ihrer Arbeit verwundet oder getötet.
„Die globale humanitäre Lage ist dramatisch: Die Zahl der auf humanitäre Hilfe angewiesenen Menschen stieg im vergangenen Jahr auf rund 300 Millionen weltweit – eine Verdopplung seit 2019. Weit mehr als 100 Millionen Menschen sind auf der Flucht.“ – VENRO
Zugleich plane die Bundesregierung, die staatlichen Mittel für humanitäre Hilfe im Haushalt 2025 und 2026 im Vergleich zu 2024 um mehr als 50 Prozent auf nur noch eine Milliarde Euro zu kürzen. Nach der Zerschlagung der US-Entwicklungsbehörde USAID klafften zukünftig noch größere Finanzierungslücken im humanitären System. Kayu Orellana, Vorstandsmitglied bei VENRO, kritisiert, dass keine Partei sich zuständig fühle. Die Politik habe den etablierten Konsens aufgegeben, dass humanitäre Hilfe ein Ausdruck der Softpower Deutschlands sein könne:
„Zwischen Ampel und großer Koalition ist für uns kein Unterschied feststellbar. Wir bekommen Bekenntnisse zur humanitären Hilfe von nahezu allen politischen Farben, nur die realen Ergebnisse lassen auf sich warten.” K „Wenn Deutschland die internationale humanitäre Hilfe bedeutsam mitgestalten will, dann war die Gelegenheit nie günstiger. Dringend benötigte Reformvorhaben wie eine stärkere Lokalisierung humanitärer Hilfe kommen zugleich politisch zu langsam voran.“
Der heute veröffentlichte, jährlich erscheinende Aid Worker Security Report zeigt, dass immer mehr Helferinnen und Helfer bei ihrer Arbeit getötet werden. Im vergangenen Jahr waren es 383 Menschen, ein erschütternder neuer Rekord. In diesem Jahr sind biser bereits 265 HelferInnen getötet worden. Hier müsse dringend gegengesteuert werden, sagte Orellana. „Konfliktparteien, die Helfer_innen zum Kollateralschaden oder sogar Ziel ihrer Kampfhandlungen machen, üben Verrat an der Menschlichkeit.“
Die meisten Getöteten sind einheimische Helfer
Die Hilfsorganisation CARE weist darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der bei Angriffen getöteten Hilfskräfte nationale Mitarbeitende sind – 97 Prozent im Jahr 2025. Zudem würden viele Vorfälle nicht gemeldet, untersucht oder strafrechtlich verfolgt.
„Angriffe auf Helfer:innen sind illegal und inakzeptabel. Diese Verbrechen dürfen nicht ungestraft bleiben. Wir beobachten einen beunruhigenden Trend zu eklatanten Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, ebenso wie Staats- und Regierungschef:innen, die es immer wieder versäumen, ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, um diese Angriffe zu verhindern.“ – Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von CARE Deutschland
Seit 2022 hat sich CARE zufolge die Zahl der jährlich getöteten Helfer:innen mehr als verdoppelt. Der Anstieg sei vor allem auf israelische Angriffe auf HelferInnen in Gaza zurückzuführen. „Allein in den palästinensischen Gebieten wurden in diesem Jahr über 180 Hilfskräfte getötet. Wie die gesamte Bevölkerung in Gaza kämpfen palästinensische Helfer:innen darum, ausreichend Nahrung, Wasser und Medikamente zum Überleben zu finden.“
Im Sudan wurden seit Beginn des Konflikts im April 2023 mehr als 100 Helfer:innen getötet, 60 allein in diesem Jahr, berichtet CARE. Frauen und Mädchen seien dort der ständigen Gefahr systematischer sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
In der Ukraine wurden laut CARE in der ersten Hälfte dieses Jahres 93 Vorfälle dokumentiert, bei denen humanitäre Helfer betroffen waren – darunter 3 Todesfälle und 34 Verletzte, hauptsächlich ukrainische Mitarbeitende. Die meisten Vorfälle ereigneten sich in den Regionen Cherson, Donezk und Charkiw.
„Das humanitäre System wird angegriffen. Mittel werden gekürzt, Hilfswege blockiert, Visa und Genehmigungen für Mitarbeiter:innen sowie Registrierungen für Organisationen verweigert. Frauen, die für humanitären Organisationen tätig sind, dürfen oft nicht arbeiten. Versuche, humanitäre Helfer:innen an ihrer Arbeit zu hindern, werden nicht selten zur Lebensgefahr, auch für die Menschen, denen wir helfen wollen. Dennoch hat unsere Arbeit Wirkung. Hilfe rettet Leben und gibt Menschen Hoffnung und Würde zurück.“ – so Karl-Otto Zentel