Politik
Pressestimmen zur Bombardierung von Kommunikationspagern (Pager)
Vorwort: Begeht die israelische Einheit eine Dummheit, indem sie in den Libanon einmarschiert?
124 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmten am gestrigen Mittwoch dem 18. September für die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, die den jüdischen Staat Anfang Juli 2024 zum Rückzug aus den arabischen Gebieten verpflichtete, die er im Krieg von 1967 besetzt hatte.
Die Abstimmung wurde von zwei Dritteln der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen angenommen und gilt als schmerzhafter Schlag für die vierzehn Länder, die ihre Stimme verweigerten, und für 43 Länder, darunter Deutschland, die ihre Stimmen behielten.
Die Entscheidung gilt als internationaler Konsens zur Ablehnung der Politik, die der hebräische Staat im Gazastreifen, im Westjordanland, im Libanon und in Syrien verfolgt, und auch als Besorgnis der Länder, die den Rückzug des hebräischen Staates fordern, vor verheerenden Folgen für die Region des Nahen Ostens und gesamten Welt. Die Entscheidung ist auch eine kollektive Ablehnung aller Pläne der Regierung Benjamin Netanyahu, in den Libanon einzumarschieren, wie etwa der Invasion von 1982 und seiner Beteiligung am Massaker von Sabra und Schatila, das am 16. September 1982 stattfand.
Der Bombenanschlag des Mossad auf Kommunikationsgeräte im Besitz von Mitgliedern der sogenannten libanesischen Hisbollah am 17. und 18. September 2024 könnte ein Auftakt zu der Invasion sein, was bedeutet, dass Benjamin Netanjahu der letzte König des hebräischen Staates sein wird, und ein Auftakt zu einem Bürgerkrieg, der unweigerlich zwischen den Siedlern ausbrechen kann.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erläutert: „Das Kommunikationsnetz, in dem sich militärische und politische Führer absprechen, ist eng umrissen und geheim. Mobiltelefone sind verboten, weil die Libanesen wissen, dass die Israelis 24/7 mithören. Daher nutzen sie die altmodischen Pager: Sie sind abhörsicher. Die einzig relevante Frage ist daher, warum der Angriff zu diesem Zeitpunkt geschah. Er war lange vorbereitet worden. Die von der Hisbollah in Europa oder Asien bestellten Pager mussten offenbar auf dem Handelsweg abgefangen, in Taschenbomben verwandelt und dann weitergeleitet werden, ohne in Beirut Verdacht zu erregen. So eine wertvolle Waffe werden die Israelis nur einsetzen, wenn sie den zweiten Schlag schon im Kopf haben. Wollten sie die Hisbollah, die Israel seit elf Monaten mit Raketen beschießt, demütigen?“, fragt die SÜDDEUTSCHE.
Der Berliner TAGESSPIEGEL meint, die Operationen seien ein „weiterer Beleg dafür, wie es Akteuren – staatlichen wie nicht-staatlichen – zunehmend gelingt, technologische Schwachstellen und Sicherheitslücken in politischen und wirtschaftlichen Strukturen auszunutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Wir kommen in ein Zeitalter, in dem der strategische Vorteil in Konflikten bei den Akteuren liegen wird, die sich durch Kreativität und Agilität auszeichnen. Der technologische Fortschritt, gerade bei der Künstlichen Intelligenz, wird diesen Trend massiv beschleunigen“, vermutet der TAGESSPIEGEL.
Der SPIEGEL spricht von einer neuen Kategorie von Angriff, dem sogenannten Hybriden Cyberwar. Dieser umfasse einerseits „eine physische Komponente, im militärischen Bereich spricht man von kinetischer Wirkung. Andererseits wird aber auch eine cyberwarhafte Botschaft verbreitet: Wir stecken in euren Systemen. Wir kontrollieren euer zentrales Kommunikations- und Nervensystem. Wir zerstören das für den Betrieb jeder Technologie notwendige Vertrauen. Hybrider Cyberwar ist ein Doppelschlag auf Körper und Psyche des Gegners. Interessanterweise ist für diese Botschaft nicht essenziell, ob tatsächlich ein Hackerangriff Teil der Operation war. Es reicht der schiere Eindruck, vor allem in der Öffentlichkeit“, analysiert der SPIEGEL.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf glaubt: „Der Angriff ist für die Hisbollah besonders demütigend, weil erstens so viele ihrer Kämpfer kalt erwischt wurden, zweitens zahlreiche Verletzungen den Unterleib betrafen – und das in einer Region, die Ehrverletzungen niemals verzeiht. Das heißt auch, dass eine Operation, die den Feind vor allem aggressiver macht, aber nicht wirklich lahmlegt, den befürchteten großen Krieg zwischen Israel, Hisbollah und Iran ein Stück nähergebracht hat“, vermerkt die RHEINISCHE POST.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG ist sich sicher, dass Israel „keinen Wert auf Diplomatie mit der Hisbollah legt. Offenbar fühlt es sich gewappnet gegen jene Vergeltung, zu der sein ‚Coup‘ eine regelrechte Aufforderung war. Man kann nur hoffen, das Kalkül geht auf und die Hisbollah ist zu geschwächt und entfernt, um Israel gefährlich zu werden. Liegt es falsch, hat es die Region einen Schritt näher an jenen Großkrieg manövriert, den der Westen und die Nachbarn seit einem Jahr zu verhindern versuchen.“ Das war die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.