Politik

Presseschau zum Thema Spahn und Brosius- Gersdorf

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Berlin 14.07.2025

Jens Spahn, Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, könnte die Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorff bei einer Neuwahl des Bundestages ablehnen. Der ehemalige Gesundheitsminister ist sich manchmal nicht bewusst, was er sagt und entscheidet. Als die Corona-Pandemie China erfasste, nur wenige Stunden bevor sie Deutschland erreichte, bekräftigte er auf einer Pressekonferenz mit dem Leiter des Robert-Koch-Instituts, dass die Pandemie Deutschland nicht erreichen werde. Dennoch hat die Pandemie bereits über 100.000 Menschenleben gefordert.

Die Verschiebung der Wahlen zur Neubesetzung der Richterstelle des Bundesverfassungsgerichts aufgrund von Spahns Widerstand gegen die Ernennung von Richterin Frauke Brosius-Gersdorff sowie die Bestätigung der Richter des Bundesverfassungsgerichts, dass die Maßnahmen zum Versammlungsverbot und zur Maskenpflicht während der Pandemie verfassungswidrig waren, reichen aus, um Spahn zum Rücktritt zu drängen und den Weg für Neuwahlen in Deutschland freizumachen. Die Regierungskoalition war und bleibt eine Zwangsheirat.

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) schreibt zur Koalition: „War es das jetzt schon? Durchzieht ein erster Haarriss das Fundament der Stabilitätskoalition? Hat die Öffentlichkeit mit der gescheiterten Richterwahl den Anfang vom schwarz-roten Ende erlebt? Für gewöhnlich wären solche Fragen nach nicht mal drei Monaten im Amt völlig übertrieben. Doch bringt die spektakulär vergurkte Routineübung einmal mehr ans Licht, wie fremd sich Christ- und Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren geworden sind. Beiden, sowohl der Union als auch der SPD, machen die schlechten Umfragewerte und die Erfolge auf der ganz rechten und ganz linken Seite zu schaffen. Um das zu überwinden, wären Einigkeit und gemeinsame Erfolge die besten Mittel. Doch das steht den Koalitionären offenbar (noch) nicht zur Verfügung“, stellt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG fest.

„Die Koalition muss aufpassen, dass sich gegenseitiges Misstrauen und Missgunst nicht verfestigen“, warnen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN. „Im Zusammenhang mit der Berufung der Verfassungsrichter sind Worte gefallen, die von einem tiefen Graben zwischen Schwarz und Rot zeugen. Noch ist das mit gutem Willen zu reparieren, aber bei immer neuen Streitereien verfestigt sich so etwas. Ständig erzählt das Spitzenpersonal von Union und SPD, dass diese Koalition geradezu zwingend erfolgreich sein muss, um die politische Mitte bei der nächsten Wahl nicht noch weiter zu schwächen. Ihr Verhalten entspricht dieser Einsicht häufig leider nicht.“

Der SÜDKURIER aus Konstanz bemerkt: „Friedrich Merz weiß, dass sein schwarz-rotes Zweckbündnis weniger von gemeinsamen Zielen als von Pragmatismus getragen wird, der von Tauschgeschäften lebt. Bisher sind die Koalitionspartner nur bei den neuen schuldenfinanzierten Investitionen eng beieinander. Schon bei der Frage einer wieder aktivierten Wehrpflicht ist man sich nicht einig. Die Problem-Kaskade setzt sich bei der Sicherung von Rente, Pflege und Gesundheitssystem fort. Wie Merz diese Stromschnellen alle meistern will, ist bisher sein Geheimnis“, bemängelt der SÜDKURIER.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG heißt es: „Vielleicht ist das Beschaffen wirklich keine Stärke von Jens Spahn: In der Corona-Zeit zahlte er als Gesundheitsminister viel zu viel für Schutzmasken, stellte aber wenigstens die gewünschte Ware zur Verfügung. Jetzt als Fraktionschef der Union hat er ein Zerwürfnis mit dem Koalitionspartner SPD zu verantworten, kann diesmal aber nicht einmal etwas liefern – jedenfalls nicht die notwendigen Stimmen seiner Fraktion für die Wahl neuer Richter am Bundesverfassungsgericht. Aus dieser Kosten-Nutzen-Bilanz erwächst die Frage, ob Spahns fachliches Können so ausgeprägt ist wie sein Selbstbewusstsein. Seit Freitag ist Spahn ein Fraktionschef auf Bewährung: Wenn er im Sommer die Richterkrise nicht löst und für einen erneuerten Koalitionsfrieden sorgt, wird sich die Union einen neuen Fraktionschef suchen müssen“, erwartet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.

Die TAZ geht noch einen Schritt weiter: „Das Debakel konfrontiert uns mit einem viel grundsätzlicheren Problem, das mit einem – überfälligen – Rücktritt Spahns nicht gelöst wäre: In entscheidenden Punkten sind sich CDU und AfD viel näher als Schwarz-Rot. Sei es in der Migrationsfrage, der Sozial- und Verteilungspolitik oder eben in Sachen Grundrechte für Frauen, queere Menschen und Rassismusbetroffene. Der Vorfall bestätigte lediglich eine Entwicklung, die sich schon beim gemeinsamen Votum von AfD und CDU im Februar zeigte: dass die Brandmauer den entscheidenden politischen Riss – zwischen denen, die an einer durch das Grundgesetz geleiteten und liberalen Ordnung festhalten, und denen, die an ihr vorbeiregieren wollen – nur künstlich kaschiert.“ Das war die TAZ.

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