Politik
Presseschau: Donald Trump und Gaza
Berlin 07.02.2025
Ist US-Präsident Donald Trump noch bei Kräften? Verfügt er noch über ein ausreichend starkes Erinnerungsvermögen, um dem Premierminister des hebräischen Staates, Benjamin Netanjahu, bei ihren Gesprächen in Washington am Mittwoch, dem 5. Februar, zu zeigen, dass die US-Regierung den Gazastreifen übernommen habe und dabei sei, ihn zu zerstören und die Bevölkerung des besagten Streifens zu töten, die der Militärmaschinerie des hebräischen Staates mehr als 15 Monate lang standgehalten habe?
Manche glauben, dass US-Präsident Trump, der die US-Präsidentschaftswahlen erneut gewonnen hat, aufgrund der Euphorie, die Schlüssel zum Weißen Haus wiederzuerlangen, gelegentlich vom Wahnsinn gepackt wird. Er hat nicht mehr die Kraft, über sein Tun nachzudenken. Er hat die amerikanische Hilfe für die Bevölkerung armer Länder eingestellt, die Mitgliedschaft seines Landes in den Abkommen der Pariser Klimakonferenz aufgekündigt, China wirtschaftlich bedroht, Kanada, Grönland und den Panamakanal bedroht und vor der Europäischen Union seine Muskeln spielen lassen, als wäre er ein gehorsamer, an Größenwahn leidender König.
Eine amerikanische Militäreinheit in den Gazastreifen zu schicken, um den Sektor politisch und militärisch zu kontrollieren und den hebräischen Staat zu schützen, bedeutet, seine Armee in den Treibsand des Gazastreifens und der Region des Nahen Ostens zu werfen. Er hat das Schicksal der Vereinigten Staaten von Amerika mit ihren Interventionen in Vietnam, Afghanistan und dem Libanon vergessen.
Der Gazastreifen gehört nicht Benjamin Netanjahu oder sonst jemandem, sondern den Palästinensern.
Das HANDELSBLATT ist sich sicher: „Was Trump mit den Palästinensern plant, ist durch das Wort ‚Umsiedlung‘ unzureichend beschrieben. Es geht um Vertreibung. Die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen sind nun monatelang hin und her gejagt worden, Zehntausende haben ihr Leben verloren. Nun sollen sie auch noch die Reste dessen aufgeben, was sie haben. Es geht ihm ausschließlich um das Land, nicht um die Menschen. Damit sind die Zutaten dafür beisammen, dass auch in Trumps neuer Palästinenserkolonie Frust und Hass noch größer werden – und damit schließlich auch die terroristische Gefahr für die USA und ihre Verbündeten. Wenn Trump seinen Plan umsetzt, ist das ein Verbrechen“, urteilt das HANDELSBLATT.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt: „Natürlich sollte Gaza wieder aufgebaut werden für die Palästinenser und nicht als ‚Riviera‘ für neue Bewohner oder Touristen, wen auch immer Trump da im Auge haben mag. Eine Umsiedlung wäre eine Vertreibung, wenn sie nicht freiwillig erfolgt, und davon kann unter den aktuellen Umständen schwer ausgegangen werden. Eine Schnapsidee ist es auch, dass Amerika das Gebiet in irgendeiner Form übernehmen könnte. Es würde die Weltmacht, die der Präsident doch eigentlich aus regionalen Konflikten heraushalten will, militärisch massiv zurück in den Nahen Osten führen. Die Hamas wird ihr Herrschaftsgebiet nicht ohne Gegenwehr aufgeben. Zu den geopolitischen Realitäten gehört außerdem, dass Ägypten oder Jordanien kein Interesse an der Aufnahme von zwei Millionen Palästinensern haben. Trump könnte Druck ausüben, weil beide Länder auf Amerika angewiesen sind, aber das werden sie abwägen gegen die großen innenpolitischen Folgen eines solchen Handels“, erwartet die F.A.Z.
Der Berliner TAGESSPIEGEL bewertet Trumps Strategie wie folgt: „Sein Übernahme-Vorstoß dient dazu, Staaten wie Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien in die Pflicht zu nehmen. Sie sollen den Weg bereiten, damit das Gaza-Problem endlich gelöst wird. Und das, ohne den US-Präsidenten und den israelischen Premier zu behelligen. Wenn sie sich schon weigern, die Bewohner Gazas unterzubringen, dann sollen sie sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die ‚Riviera des Nahen Ostens‘ Wirklichkeit werden zu lassen. Die Machthaber in der Region werden bereits intensiv darüber nachdenken, wie sie Trump entgegenkommen können. Dabei hat der US-Präsident einen Punkt: Gaza und die dort ausharrenden Menschen brauchen eine Perspektive“, kommentiert der TAGESSPIEGEL.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg blickt zurück auf Trumps erste Amtszeit: „Mit gleich vier arabischen Nationen konnte Israel damals ein Friedensabkommen schließen. Wenn Trump sich also jetzt erneut auf eine aktive Nahost-Politik der USA festlegt, muss die Welt das auf jeden Fall ernst nehmen. Wie so oft bei Trump stellt sich allerdings die Frage, was genau man nun ernst nehmen sollte. Die Androhung, knapp zwei Millionen Menschen vertreiben zu wollen? Die Übernahme des Gazastreifens? Beides sind fürchterliche Drohungen, die zu einem blutigen Einsatz der USA auf fremdem Boden führen würden – etwas, das Trump eigentlich vermeiden will“, notiert die VOLKSSTIMME.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE glaubt: „Trump hatte und hat die palästinensische Perspektive nicht im Blick. Auch nicht im Sinn. Er will Ruhe, er will Business – aber keinen gerechten Frieden. Mit der Macht des ‚Oval Office‘ will Trump einen einzigen Gewinner schaffen, so ein Ende des Konflikts herbeiführen. Damit aber ist Israel nicht geholfen. Damit ist den gemäßigten politischen Kräften Palästinas nicht geholfen. Und damit wird es eben keinen Frieden in der Region geben.“ So weit die WIRTSCHAFTSWOCHE und so viel zu diesem Thema.