Politik
Pressemeinungen zur Rückkehr syrischer Flüchtlinge nach Syrien
Berlin 05.11.2025
– In den kommenden Tagen wird der Bundestag die Lage in Syrien erörtern. Dabei geht es unter anderem um Forderungen einiger Mitglieder der CDU und der AfD, syrische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückzuführen. Die mögliche Bundestagsdebatte über syrische Flüchtlinge folgt kurz nach einer Erklärung von Außenminister Johann Wadephul. Dieser betonte, die meisten syrischen Städte und Dörfer seien zerstört und extrem unbewohnbar. Er schloss damit aus, dass syrische Flüchtlinge in Deutschland in ihren zerstörten Heimatorten überleben könnten. Diese Aussage stieß bei der CDU, der Partei von Außenminister Wadephul, auf Widerspruch. Um die Kontroverse zu entschärfen, gab Bundeskanzler Friedrich Merz bekannt, er habe den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa nach Deutschland eingeladen, um über Syrien, die Situation syrischer Flüchtlinge in Deutschland und deren Rückkehr in ihr Heimatland zu sprechen. Damit signalisierte er, dass es keinen Grund mehr gebe, syrische Asylanträge in Deutschland anzunehmen.
Die Ablehnung der Äußerungen ihres Parteikollegen Johann Wadephul durch die CDU führte zu einem leichten Popularitätsverlust der CDU und einem Anstieg der Beliebtheit der einwanderungs- und EU-kritischen AfD sowie der SPD, der Grünen und der Linken. Der Popularitätszuwachs der AfD beruhte auf ihrer Anziehungskraft auf Rassisten, während der Rückgang der CDU darauf zurückgeführt wurde, dass viele Parteimitglieder Außenminister Wadephul als Sozialisten betrachteten. Der Popularitätszuwachs der SPD, der Grünen und der Linken war auf deren Widerstand gegen den alarmierenden Anstieg von Rassismus in Deutschland und Europa zurückzuführen.
„Seltsam, wie sich die Befunde widersprechen“, schreibt die STUTTGARTER ZEITUNG: „Der deutsche Außenminister Wadephul hat bei einer Reise nach Syrien den Eindruck gewonnen, eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge sei zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich. Bereits vor sechs Wochen hatte das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen hingegen mitgeteilt, dass eine Million Flüchtlinge aus benachbarten Ländern schon nach Syrien zurückgekehrt sei. Jeder einzelne von ihnen widerlegt Wadephuls Vorbehalte.“
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vermerkt: „Es ist verständlich, dass Menschen lieber in einem Land bleiben, das ihnen im Vergleich zu ihrem zerstörten Heimatland wie das Paradies vorkommen muss. Aber Deutschland kann nicht alle Kriegsflüchtlinge dieser Welt für immer aufnehmen. Wenn der Krieg vorbei und damit der Grund für die gewährte Aufnahme entfallen ist, muss ein Großteil von ihnen wieder zurück. Ja, Deutschland braucht Ärzte, Pfleger und Ingenieure, Syrien aber braucht sie noch dringender“, argumentiert die F.A.Z.
„Ja, hört in dieser Koalition denn gar keiner mehr auf den Kanzler?“, fragt sich der MÜNCHNER MERKUR: „Mit seiner Absage an Abschiebungen nach Syrien konterkariert Wadephul nicht nur den CSU-Innenminister. Er bricht auch ein weiteres Unions-Wahlversprechen und weckt Zweifel an der Führungsstärke des Kanzlers. Die Unionsspitze kann sich noch so sehr mühen, den Dissens zum Missverständnis zu verniedlichen. Das Problem bleibt: Wadephul klingt zu oft wie Baerbock. Kein Wunder, dass Grüne und SPD ihm zujubeln. Doch sollte die Sicherheit der eigenen Bevölkerung auch für einen Außenminister, erst recht einen der Union, die oberste Richtschnur sein“, findet der MÜNCHNER MERKUR.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz unterstreicht: „Zur Migrationswende gehört nun mal auch, dass Menschen, die keinen Anspruch mehr auf Asyl haben, nach Afghanistan und erst recht nach Syrien zurückkehren sollen. Denn in beiden Ländern hat der Bürgerkrieg ein Ende gefunden. Das kann man politisch wie humanitär falsch finden angesichts der Zerstörungen gerade in Syrien. Aber es ist nun mal Regierungslinie, zumal die Syrer schon selbst ihr Land aufbauen müssen, wenn auch mit deutscher Unterstützung. Sollte Außenminister Wadephul damit ein Problem haben, muss er dies klipp und klar sagen und für seine Haltung einstehen. Was jedoch nicht geht, ist Außenpolitik aus dem Bauch heraus zu machen oder sich emotional zu sehr von seinen Eindrücken leiten zu lassen“, moniert die RHEIN-ZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE konstatiert: „Das eigentliche Problem ist nicht der Außenminister, der quasi bei der Wahrheit ertappt wurde. Das eigentliche Problem ist, dass Kanzler Merz und seine Koalition ständig zwischen markigen Sprüchen, rechtlichen Zwängen und Menschlichkeit pendeln – und noch immer keinen gemeinsamen, tragfähigen Plan entwickelt haben, wie sie künftig mit Syrien umgehen wollen.“
Die TAGESZEITUNG – TAZ – meint: „Die Kritiker Wadephuls ignorieren nicht nur die desaströse Menschenrechtslage in Syrien. Auch wenn man die moralischen und juristischen Fragen außen vor lässt, ist die Vorstellung absurd, man könne Hunderttausende Syrer aus Deutschland abschieben. Zur Erinnerung: Mit Riesenaufwand hat die aktuelle Bundesregierung die Zahl der Abschiebungen in diesem Jahr auf gerade einmal 17.651 gesteigert. Und die Behörden sind schon gut ausgelastet, ohne in Hunderttausenden Fällen bereits erteilte Schutzzusagen noch einmal zu überprüfen“, notiert die TAZ.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm betont: „Diejenigen, die Wadephul nun so hart attackieren, interessiert weniger die Realität vor Ort, sie fürchten vielmehr die mögliche Signalwirkung der Außenminister-Sätze: eine mögliche Abschwächung der
erkämpften Härte bei Grenzkontrollen, Migrationsrecht und Abschiebungen. Dahinter steckt, nicht schwer zu erraten, die Furcht vor der nächsten AfD-Grätsche.“ Soweit die SÜDWEST PRESSE. Und so viel zu diesem Thema.