Politik
Nationale Stelle zur Verhütung von Folter -Jahresbericht 2023-
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat heute ihren Jahresbericht 2023 veröffentlicht. Sie hat diesen im Rahmen eines Empfangs in der Niedersächsischen Landesvertretung an Bund und Länder übergeben.
Staatssekretärin Dr. Angelika Schlunck erklärt:
„Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter überprüft, ob der Staat die elementaren Gebote der Achtung der Rechte und der menschenwürdigen Unterbringung von Personen im Freiheitsentzug einhält. Sie nimmt damit eine überaus verantwortungsvolle Aufgabe wahr.
Im Jahr 2023 hat die Nationale Stelle ihren Fokus erneut auf Besuche von Einrichtungen des Maßregelvollzugs gelegt. Sie hat alle Forensischen Kliniken in Deutschland besucht und sich so einen bundesweiten Überblick über die Situation des Maßregelvollzugs verschafft. Die bei diesen Besuchen gewonnenen Erfahrungen sind in die Überarbeitung der Standards für Psychiatrische Kliniken eingeflossen. Die Standards bieten eine wichtigeOrientierung insbesondere für die Praxis des Maßregelvollzugs. Ich danke den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern derNationalen Stelle sehr herzlich für ihren engagierten Einsatz.
Das Bundesministerium der Justiz unterstützt die Arbeit der Nationalen Stelle seit ihrer Gründung. Gemeinsam mit den Ländern setzen wir uns dafür ein, dass die Nationale Stelle angemessen ausgestattet ist. Nur so kann sie ihre wichtigen Aufgaben zum Schutz essenzieller Menschenrechte auch weiterhin effektiv wahrnehmen.“
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist ein unabhängiges Gremium, das die Situation in freiheitsentziehenden Einrichtungen überwacht. Sie berichtet jährlich der Bundesregierung, den Landesregierungen, dem Deutschen Bundestag und den Parlamenten der Bundesländer über ihre Tätigkeit.
Die Nationale Stelle hat im Jahr 2023 insgesamt 66 Einrichtungen besucht: 36 Einrichtungen des Maßregelvollzugs (Forensische Psychiatrien), 17 Justizvollzugsanstalten, 1 Justizvollzugskrankenhaus, 1 Transit- und Abschiebungshafteinrichtung, 1 Alten- und Pflegeheim, 7 Polizeidienststellen der Bundes- und Landespolizei, 2 stationäre Grenzkontrollen sowie 1 Vollzugseinrichtung der Bundeswehr. Darüber hat die Nationale Stelle sechs Abschiebungsmaßnahmen begleitet. Im Rahmen ihrer Besuche hat die Nationale Stelle Beispiele guter Praxis vorgefunden. Sie hat aber auch problematische Situationen festgestellt, die zum Teil bereits länger bestehen.
Im aktuellen Berichtszeitraum hat die Nationale Stelle das Schwerpunktthema aus den vergangenen Jahren fortgeführt und ihren Fokus auf den Maßregelvollzug bzw. Einrichtungen der forensischen Psychiatrie gelegt. Ein weiterer Fokus lag auf der Beobachtung von Abschiebungsmaßnahmen und stationären Grenzkontrollen. Ein besonderes Augenmerk richtete die Nationale Stelle hierbei auf die Achtung des Kindeswohls. Eine detaillierte Darstellung der einzelnen Besuche und die entsprechenden Stellungnahmen sind unter www.nationale-stelle.de abrufbar.
Die von der Nationalen Stelle ausgesprochenen Empfehlungen und erarbeiteten Standards sind eine wichtige Orientierung für die Praxis, aber auch für die Gesetzgebung und die Rechtsprechung. Die Empfehlungen und Standards sind ebenfalls auf der Website der Nationalen Stelle veröffentlicht.
Hintergrund:
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist in der Folge der Ratifikation des Fakultativprotokolls zur Antifolterkonvention der Vereinten Nationen eingerichtet worden. Dieses Protokoll verpflichtet alle Mitgliedstaaten dazu, eine solche nationale Stelle einzurichten. Sie hat die Aufgabe, regelmäßig Orte der Freiheitsentziehung aufzusuchen, auf Missstände aufmerksam zu machen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.
Die Nationale Stelle besteht aus zwei Komponenten: Die Bundesstelle ist für alle Einrichtungen des Bundes, d. h. Hafteinrichtungen bei der Bundespolizei, der Bundeswehr und dem Zoll, Transitzonen internationaler Flughäfen sowie die Begleitung von Rückführungsflügen zuständig. In den Zuständigkeitsbereich der Länderkommission fallen die Einrichtungen der Länder: Justizvollzugsanstalten, Jugendstraf- und Arrestanstalten, Polizeidienststellen, Psychiatrien, Abschiebungshaftanstalten, gerichtliche Vorführzellen, geschlossene Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Alten- und Pflegeheime.
Bericht prangert Menschenrechtsverstöße in deutschen Gefängnissen an
Seit 2008 wacht die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter über die Einhaltung der Menschenrechte in deutschen Gefängnissen, Maßregelvollzügen und anderen Orten der Freiheitsentziehung. Der jetzt vorgestellte neue Jahresbericht listet einige Verstöße und Versäumnisse auf.
Berlin. Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat am Dienstag in Berlin ihren Jahresbericht für 2023 vorgestellt. Um Folter im eigentlichen Sinn geht es indem fast 100-seitigen Bericht nicht – aber um die Verhältnisse in Gefängnissen, Polizeigewahrsamen, im Maßregelvollzug oder in psychiatrischen Einrichtungen.Die Nationale Stelle soll die menschenwürdige Unterbringung in allen Einrichtungen überwachen, in denen Freiheitsentzug stattfindet. Es gibt sie seit 2008, damit setzt Deutschland Verpflichtungen aus einem bereits 2002 geschlossenen UN-Übereinkommen gegen Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigendeBehandlung oder Strafe um.
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Die Mitglieder der Nationalen Stelle haben ein Recht auf ungehinderten Zugang zu allen Justizvollzugsanstalten und Gewahrsamseinrichtungen, allen dort festgehaltenen Personen und allen entsprechenden Informationen. Meist finden solche Besuche mit kurzfristiger Ankündigung statt. Im vergangenen Jahr besuchte die Nationale Stelle laut ihrem Jahresbericht 66 Einrichtungen undbegleitete sechs Abschiebungen. „Hierbei stellte sie erneut Verstöße gegen die Menschenrechte im Freiheitsentzug und Verletzungen der in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützten Menschenwürde fest“, heißt es im Jahresbericht.
Diese Verstöße listet der Jahresbericht auf
Besonders kritisch sei, dass entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „noch immer Hafträume ohne abgetrennte Toilette doppelt belegt werden“. Außerdem hätten Berlin, Niedersachsen und das Saarland es versäumt, ihre Gesetzgebung zur zwangsweisen Fixierung in psychiatrischen Einrichtungen mit den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen in Einklang zu bringen – obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 2018 ein entsprechendes Urteil gefällt hat. Der Bericht kritisiert außerdem, dass in „einer Vielzahl an besuchten forensischen Psychiatrien“ Menschen über mehrere Wochen und Monate hinweg in sogenannten „Kriseninterventionsräumen“ abgesondert worden seien. Teilweise seien die Betroffenen bis zu 24 Stunden am Tag isoliert worden. In anderen Fällen werden zu kleine Gewahrsamsräume, unrechtmäßige Fixierungen im Polizeigewahrsam oder eine Abschiebung nach Nigeria trotz eines gegensätzlichen Gerichtsbeschlusses bemängelt.