Politik

Lage der religiösen und ethnischen Minderheiten in Syrien

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Berlin 16.10.2025   

– Die Bundesregierung erachtet den Schutz von religiösen und ethnischen Minderheiten in Syrien als zentral für den Erfolg der politischen Transition des Landes nach dem Sturz des Assad-Regimes durch die HTS-Miliz im Dezember 2024. Die syrische Regierung unter dem Interimspräsidenten und früheren Rebellenführer Ahmed al-Scharaa sei in den vergangenen Monaten auf internationaler Ebene erfolgreich darum bemüht gewesen, Legitimität aufzubauen, sagte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Dieser hatte sich in seiner Sitzung am Mittwoch über die Lage der religiösen und ethnischen Minderheiten unterrichten lassen.

Im Land selbst sei für die Legitimität der Regierung die Lösung der Minderheitenfrage essenziell, so der Außenamts-Vertreter. Die syrische Gesellschaft sei äußerst divers. Tatsächlich beheimatet Syrien neben der arabisch-sunnitischen Bevölkerungsmehrheit viele unterschiedliche Volksgruppen und religiöse Minderheiten, die das Land prägen, darunter Schiiten, Kurden, Alawiten, Christen und Drusen.

Die sunnitisch geprägte Übergangsregierung, die sich zwar zu religiöser Toleranz bekannt habe, stoße jedoch auf Misstrauen unter den Minderheiten, erklärte der Vertreter des Auswärtigen Amtes. Dieses Misstrauen habe sich durch die wiederholten Übergriffe und Massaker, wie etwa an Alawiten im März und zuletzt im Juli an Drusen in der Provinz Suweida noch verstärkt. Es gebe Hinweise, dass regierungsnahe Milizen die Angriffe unterstützt haben. Darauf wies auch ein Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen hin und äußerte Zweifel, wie ernst es der Übergangsregierung sei, Minderheiten zu schützen.

Auf die Gefahr von Dschihadisten in der HTS-Miliz habe die Bundesregierung die syrische Übergangsregierung hingewiesen, so der Außenamtsvertreter. Das sei ein ungelöstes Problem. Die Massaker müssten konsequent strafrechtlich aufgearbeitet werden. Ansätze dazu gebe es zwar, etwa in Form einer Kommission, die die Angriffe auf Alawiten in Latakia untersuchen und die Täter zur Rechenschaft ziehen soll. Doch Letzteres sei bisher nicht geschehen.

Als positives Zeichen wertete der Außenamts-Vertreter wiederum die syrische Übergangsverfassung, die am 13. März 2025 von der Übergangsregierung erlassen wurde und die Grundlagen für eine fünfjährige Übergangsphase des Landes gibt. Diese sichere den Minderheiten volle Rechte zu, darunter Bekenntnisfreiheit und Schutz vor Diskriminierung. Bezüge zur Scharia, dem islamischen Recht, auf die ein Mitglied der AfD-Fraktion aufmerksam machte, seien vorhanden. Allerdings werde es den religiösen Minderheiten gestattet, ihr Personenstandrecht nach eigenem Recht zu organisieren. Das sei auch unter dem vorherigen Machthaber Baschar al-Assad so gewesen.

Nach den Wahlen am 5. Oktober seien die Minderheiten zudem im Übergangsparlament vertreten, wenn auch nicht entsprechend ihrem prozentualen Anteil an der Bevölkerung, wie der Vertreter der Bundesregierung anmerkte. Ein Drittel der Sitze des Parlaments habe das Wahlleute-Gremium nicht besetzt. Diese könne Präsident al-Scharaa selbst bestimmen, so der Außenamts-Vertreter. Al-Scharaa habe angedeutet, dieses Recht zu nutzen, um die etwaige Unterrepräsentanz von Minderheiten zu korrigieren.

Ein Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass insbesondere Drusen, teils auch Kurden und Christen von dieser Unterrepräsentanz betroffenen seien. Diese bezweifelten seinen Informationen nach jedoch, dass der Präsident versuchen werde, sie bei der Besetzung der offenen Sitze stärker zu berücksichtigen. Der Außenamts-Vertreter erklärte daraufhin, dass in den kurdisch kontrollierten Gebieten sowie in Suweida die Wahlen aus Kritik am Verfahren boykottiert worden seien. Kritiker bemängelten unter anderem, die indirekte Wahl sei nicht repräsentativ und werde zu zentral gesteuert.

Kontrovers diskutiert werde auch noch die Frage der zukünftigen Staatsform, so der Regierungsvertreter. Die Kurden als zweitgrößte ethnische Minderheit beanspruchten kollektive und territoriale Autonomierechte. Im März hatte sich die Kurden und die syrische Übergangsregierung darauf verständigt, die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vollständig in die staatlichen Institutionen des Landes einzugliedern. Dieser Dialogprozess über die Integration der Miliz in die Armee sowie die Verankerung kurdischer Rechte laufe, so der Außenamts-Vertreter und werde seitens der Türkei genau verfolgt. Das sei ein Zeichen dafür, wie groß das Eskalationspotenzial der Minderheitenfrage sei. Die Lösung dieser Frage sei eine wichtige Voraussetzung für Stabilität, Wiederaufbau und Rückkehrperspektiven geflüchteter Syrerinnen und Syrer auch in Deutschland.

Eine Vielzahl der Geflüchteten sei trotz der großen Zerstörung in den Jahren des Bürgerkrieges bereits aus den drei Hauptaufnahmeländern Türkei, Libanon und Jordanien wieder in die Heimat zurückgekehrt, so der Außenamts-Vertreter. Ein Abgeordneter der SPD-Fraktion verwies auf die Bedeutung humanitärer Hilfe, um die Situation dort zu stabil zu halten. Die Zivilbevölkerung seit weiterhin auf Hilfe angewiesen. Die Versorgung erfolge nach Bedarf, nicht nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppe. Das stellte der Regierungsvertreter auf Frage eines Mitglieds der Linksfraktion klar, das sich erkundigt hatte, wie bei der humanitären Hilfe Minderheiten geschützt werden. Nach den Übergriffen auf Drusen in Suweida habe sich die Bundesregierung jedoch stark dafür eingesetzt, dass den Helfern und Hilfsgütern auch aus Deutschland Zugang gewährt wurde. Das sei gelungen.

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