Politik
Oppositionsantrag zum Sicherheitspaket erstmals beraten
Gestern, am Donnerstag, 26. September 2024, ist es im Bundestag erneut zu einer scharfen Kontroverse über die Migrationspolitik der Ampelkoalition gekommen. Während die Opposition das von der Bundesregierung nach dem Messerattentat von Solingen vorgelegte „Sicherheitspaket“ erneut als unzureichend kritisierte, warf die Koalition der Union vor, Ängste zu schüren, zeigte sich aber auch zu weiteren Gesprächen mit der CDU/CSU über die Migrationspolitik bereit.
Den Abgeordneten lag zu der Debatte erstmals ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion für ein „umfassendes Sicherheitspaket“ vor, in dem die Bundesregierung zur Umsetzung eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs zur Bekämpfung der irregulären Migration und des Islamismus aufgefordert wird (20/12961). Die Vorlage überwies das Parlament nach der Aussprache an die Ausschüsse. Die Federführung bei den weiteren Beratungen übernimmt der Innenausschuss.
Die Abstimmungen über den Unionsantrag mit dem Titel „Für eine echte Wende in der Asyl- und Migrationspolitik – Zurückweisungen an den deutschen Grenzen vornehmen“ (20/12835) und den Gesetzentwurf der Unionsfraktion „zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ (Zustrombegrenzungsgesetz,20/12804) wurden indes von der Tagesordnung abgesetzt.
SPD kritisiert „Verunsicherungspaket“
Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) wertete die Vorlage indes als ein „Verunsicherungspaket“. Die Union wolle „Angst schüren und sich dann als Retter präsentieren“. Dies werde man ihr nicht durchgehen lassen.
Die Union behandele pauschal Gruppen so, „als ob jeder Afghane und jeder Syrer ein potenzieller Terrorist wäre“. Ressentiments schafften aber keine Sicherheit, sondern Verunsicherung.
Union moniert „kleine Trippelschrittchen“
Alexander Throm (CDU/CSU) entgegnete, dass die Menschen im Land bereits Angst hätten, aber die SPD dies nicht erkenne. Das Sicherheitspaket der Ampelkoalition enthalte nur „kleine Trippelschrittchen“, während ein „Weitsprung“ gebraucht werde.
Mit ihrem Antrag lege seine Fraktion all die Maßnahmen vor, die in dem Koalitionspaket fehlten, etwa zur Begrenzung des Zuzugs nach Deutschland, fügte Throm hinzu und forderte „umfassende Zurückweisungen“.
Grüne: Union will nur über Migration reden
Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen) hielt der Union vor, dass nach ihrer „Kernidee“ Asylsuchende durch rechtswidrige Zurückweisungen an den deutschen Grenzen in die Nachbarländer „zurückgetrieben“ werden sollten.
Sie wolle nach dem islamistischen Anschlag von Solingen „nur über Asyl und Migration“ reden, nicht aber über die innere Sicherheit. So zielten von 60 Punkten des CDU/CSU-Antrags mehr als 40 auf asylpolitische Maßnahmen und Verschärfungen.
AfD: Wir treiben Koalition, CDU und FDP vor uns her
Dr. Bernd Baumann (AfD) betonte, die von der CDU/CSU geforderten Zurückweisungen seien „ein Antrag der AfD“. Die Koalition habe aber verhindert, dass das Parlament über solche Zurückweisungen an diesem Tag abstimmen könne, „wohl weil sie ahnte, dass jetzt selbst einzelne FDP-Abgeordnete dem zustimmen könnten“.
Dies zeige, welchen Einfluss die AfD mit ihren Forderungen habe. „Wir treiben die Koalition, die CDU und die FDP vor uns her“, fügte Baumann hinzu.
FDP wirbt für gemeinsame Mehrheit mit der Union
Konstantin Kuhle (FDP) warnte davor, dass „die Parteien der demokratischen Mitte beim Thema Migration übereinander herfallen“. Dies nutze am Ende nur denen, die das Thema gar nicht lösenwollten.
Deswegen bleibe die Hand gegenüber der CDU/CSU ausgestreckt, die das Thema Migration ebenso lösen wolle wie die Parteien der Koalition, fügte Kuhle hinzu und warb dafür, mit einer gemeinsamen Mehrheit von Koalition und CDU/CSU „mehr Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik“ zu schaffen.
Antrag der Union
In dem CDU/CSU-Antrag mit dem Titel „Ein umfassendes Sicherheitspaket jetzt beschließen – Was beim Sicherheitspaket der Koalition fehlt“ wird die Bundesregierung aufgefordert, an den deutschen Grenzen auch solche Personen zurückzuweisen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat stellen können, aus dem sie einreisen wollen.
Auch soll die Bundesregierung laut Vorlage das Asylrecht so ändern, dass ein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist, wenn der Asylbewerber rechtswidrig nach Deutschland eingereist ist und es grundlos versäumt, sich schnellstmöglich den Behörden zu stellen.
Anreize für Sekundärmigration senken
Zugleich soll die Bundesregierung nach dem Willen der CDU/CSU-Fraktion die Anreize für eine Sekundärmigration nach Deutschland senken, indem die Sozialstandards in der EU für Asylbewerber und Schutzberechtigte unter Berücksichtigung der Kaufkraft der Mitgliedstaaten einander angenähert werden. Gebraucht werde eine Klarstellung im europäischen Recht, „dass Sozialleistungen – auch nach Abschluss des Asylverfahrens – nur im zuständigen Mitgliedstaat bezogen werden können“, heißt es in dem Antrag weiter.
Danach soll die Bundesregierung daneben einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine Leistungskürzung auf das physische Existenzminimum vorsieht, „solange eine Ausreisepflicht besteht und eineAusreise tatsächlich und rechtlich möglich ist“. Ebenso soll ein Gesetzentwurf dem Antrag zufolge für Geduldete lediglich eine zweiwöchige Überbrückungsleistung nebst Reisebeihilfe vorsehen, wenn ein Schutzstatus aus dem EU-Ausland oder einem leicht erreichbaren Drittstaat vorliegt.
Zudem plädiert die CDU/CSU dafür, den Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Ausländern bis auf Weiteres zu beenden und alle Bundesaufnahmeprogramme einzustellen. Des Weiteren will sie im Aufenthaltsrecht festgelegt haben, „dass bei bestimmten Delikten jede Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu einer Regelausweisung führt“. Für den Umgang mit „ausländischen schweren Straftätern und Gefährdern“, die zwar ausreisepflichtig sind und auch freiwillig zurückkehren könnten, aber derzeit nicht abgeschoben werden können, dringt sie auf die Schaffung eines sogenannten Ausreisearrests, „in dem diese Personen so lange verweilen, bis sie die Rückreise in ihre Heimat freiwillig antreten“.
Erweiterte Kompetenzen der Sicherheitsbehörden des Bundes
Darüber hinaus macht sich die Fraktion für erweiterte Kompetenzen der Sicherheitsbehörden des Bundes stark. Danach soll die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, „der den vom Europäischen Gerichtshof eingeräumten gesetzgeberischen Spielraum zur Speicherung von IP-Adressen sowie weiterer Verkehrs- und Standortdaten zur Terrorabwehr umsetzt“. Den Sicherheitsbehörden soll nach den Vorstellungen der Fraktion die „rechtmäßige, rechtssichere und insbesondere verhältnismäßige Nutzung von Gesichtserkennungssoftware mit dem Abgleich öffentlich zugänglicher Datenbanken“ ermöglicht werden. Ebenfalls ermöglichen will sie an besonders kriminalitätsbelasteten Bahnhöfen und Flughäfen die Nutzung von Technik zur automatischen Gesichtserkennung.
Zu den weiteren Forderungen der Fraktion zählt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Befugnis zur Online-Durchsuchung und dem Bundeskriminalamt im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus die Befugnis zur Auswertung gespeicherter Kommunikationsdaten ab dem Zeitpunkt einer richterlichenAnordnung einzuräumen. Schließlich tritt sie in der Vorlage unter anderem dafür ein, systematisch Organisationen zu verbieten, die in Deutschland ein islamistisches System errichten möchten, und religiösen Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz des Bundes oder eines Landes beobachtet werden, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.