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Münchner Sicherheitskonferenz 2

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NATO, Europa und Donald Trump

München 16.02.2025

Wie tief und breit die Kluft zwischen der US-Regierung und Europa ist, wurde in der Diskussion um die Nato-Politik von US-Präsident Donald Trump und der Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance deutlich. Der US-Präsident ist überzeugt, dass Washington die absolute Führungsmacht der Nato ist und dass die Europäer, sollte die US-Regierung ihre Nato-Mitgliedschaft beenden, Russland und China ausgeliefert sein werden. Dies bekräftigte sein Stellvertreter Vance in seiner Ansprache vor den Konferenzteilnehmern vorgestern, Freitag.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte, US-Senator Lindsey Graham und seine demokratische Kongresskollegin Jeanne Shaheen betrachteten Trumps Politik gegenüber den Europäern als einen Test ihrer Solidarität mit der Trump-Administration, während Graham Trumps Politik gegenüber der NATO und den Europäern als im Interesse der Europäer liegend ansah, da er um sie vor ihrer Ausgeliefertheit an die NATO fürchtet, während die Kongressabgeordnete Shaheen betonte, dass die Solidarität und Zusammenarbeit der NATO-Mitglieder untereinander dringend erforderlich sei.

Einige der heute erschienenen Zeitungen äußerten jedoch eine andere Meinung über die NATO, Europa und die US-Regierung.

Viele Sonntagszeitungen kommentieren die Ereignisse auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Im Fokus stehen dabei vor allem das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa kurz nach Beginn der zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump sowie der Blick auf mögliche Friedensverhandlungen für die Ukraine.

Die WELT AM SONNTAG geht auf die umstrittene Rede von US-Vizepräsident Vance ein und kritisiert den Stil der Auseinandersetzung: „Es mag uns stören, doch in dem einen oder anderen Punkt hat J. D. Vance recht. Genau wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Punkt traf, als er von der misslichen Verquickung unternehmerischer Eliten mit der Macht der Exekutive in den USA sprach. Nur: Unter Freunden und Verbündeten unterlässt man die öffentliche Brandrede, unterdrückt die Lust zum rachedurstigen Großreinemachen – sei man Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika oder Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Was ist aus der Gabe des öffentlichen Schulterschlusses bei gleichzeitig schonungsloser Offenheit hinter verschlossenen Türen geworden? Haben wir es nur noch mit Bulldozern und Moraltrompetern zu tun? Wo ist die Gabe zum Zwischenton geblieben? Ein wenig mehr Henry Kissinger, ein wenig mehr Helmut Kohl täten dem deutsch-amerikanischen Verhältnis gut“, findet die WELT AM SONNTAG.

Aus Sicht der LÜBECKER NACHRICHTEN gibt es bereits ein dramatisches Zerwürfnis: „Europa wacht mit der Münchner Sicherheitskonferenz in einer neuen Welt auf. Die USA unter Donald Trump brechen mit den gemeinsamen Grundwerten. Das Wort ‚Zeitenwende‘ bekommt eine andere Bedeutung, als es Bundeskanzler Olaf Scholz vor drei Jahren mit seiner Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine meinte. Denn nun geht es für Europa nicht mehr allein um den Aggressor Wladimir Putin und die Verteidigung Kiews. Es geht auch um einen angehenden Diktator in Amerika. Es ist ein beklemmendes Gefühl, dass sich die Lage ausgerechnet vor und auf einer Konferenz in München zugespitzt hat. 1938 schlossen hier die Staats- und Regierungschefs von Italien, Frankreich und Großbritannien mit Hitler ein Abkommen zur ‚Abtretung des sudetendeutschen Gebiets‘ an das Deutsche Reich. Es sollte den Frieden in Europa sichern. Die Tschechoslowakei, die es betraf, war nicht eingeladen. London und Paris sicherten ihr aber den Bestand ihres Reststaates zu. Der Vorgang ist als ‚Appeasement-Politik‘ in die Geschichte eingegangen – und als historischer Irrtum, Hitler beschwichtigen zu können. Nun sprachen Trump und Putin vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz über ein Ende des Krieges, was ein Verrat an Kiew ist. Da hilft es nur wenig, dass Trump hinterher auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj telefoniert hat“, heißt es in den LÜBECKER NACHRICHTEN.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG bemerkt: „Donald Trump hat der Ukraine die Entscheidung über ihr Schicksal entrissen. In Washington kündigte der Präsident an, dass er bald mit Russlands Diktator Wladimir Putin über ein Ende der Kampfhandlungen verhandeln wolle. Wenn Trump tatsächlich Putin in Saudi-Arabien trifft, könnten die Europäer zu Randfiguren werden. So ist die Münchner Sicherheitskonferenz zum Krisen- und Paniktreffen der Europäer und der ukrainischen Vertreter geworden. Während sich die Welt in München zur Sicherheitskonferenz trifft, plante Verteidigungsminister Pistorius, nach einer Stippvisite den Großteil des Wochenendes im SPD Heimatwahlkampf zuzubringen. Das passt zu den geringen Ambitionen, die Deutschland seit 2014 gezeigt hat, um die eigene und die europäische Sicherheit zu stärken. Der Verteidigungsetat ist faktisch geschrumpft, die Bundeswehr weiter geschwächt worden. Deutschland erlebt tägliche hybride Angriffe auf seine Infrastruktur. Über militärischen Liegenschaften tanzen fremde Drohnen nach Belieben. Die Konzepte zu einer Gesamtverteidigung stecken im Anfangsstadium, die äußerst behutsame neue Wehrpflicht hat Scholz gestoppt, von einer robusten Wehrindustrie kann keine Rede sein“, bemängelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.

Auch Großbritannien hat nach Ansicht des britischen SUNDAY TELEGRAPH erheblichen Nachholbedarf bei Investitionen in die Verteidigung: „Außenminister David Lammy hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz versichert, dass Großbritannien willens und bereit ist, seinen Beitrag auf dem Kontinent zu leisten. Die Regierung, so Lammy, sei ‚absolut entschlossen‘, 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, und werde ‚in einigen Monaten den Weg dafür aufzeigen‘. Vor drei Jahren wäre eine solche Verpflichtung vielleicht noch ausreichend gewesen. Jetzt, angesichts des Einmarschs Russlands in der Ukraine und der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten immer weniger bereit sind, für die europäische Sicherheit aufzukommen, sind 2,5 Prozent das absolute Minimum, das wir im nächsten Jahr anstreben sollten. Großbritannien fehlt es an Panzern, an Schiffen, an Personal, an Luftabwehrsystemen und zunehmend an Zeit, um diese Lücken zu schließen“, bilanziert der SUNDAY TELEGRAPH aus London.

Die norwegische Zeitung DAGBLADET meint zu möglichen Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg: „Putin und Russland haben auf gröbste Weise gegen das Völkerrecht verstoßen – das muss bei Verhandlungen im Mittelpunkt stehen. Moskau hat eine Invasion gegen ein selbständiges Nachbarland begonnen. In den möglichen Gesprächen muss ein dauerhafter Frieden erreicht werden – und dass Putin nie wieder versucht, sich auch nur einen Quadratkilometer der Ukraine einzuverleiben. Russland muss akzeptieren, dass sich andere Länder ihre Bündnispartner suchen, und es gibt Grenzen für das Verständnis, das wir für Russland und sein angebliches Gefühl der Bedrohung durch die NATO aufbringen müssen.“

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